Neue Erkenntnisse zur Entstehung des Tibetischen Plateaus

Das Tibetische Plateau, oft als «Dach der Welt» bezeichnet, erstreckt sich über 2.5 Millionen Quadratkilometer und liegt durchschnittlich mehr als 4000 Meter über dem Meeresspiegel. Eine Studie in Nature Geoscience legt nahe, dass die Mantel-Delamination der überschiebenden Platte eine Schlüsselrolle bei der Entstehung dieser gewaltigen Region spielen könnte.

Tibetisches Plateau
Gawula pass, Tibetisches Plateau (Bild: Adobe Stock)

Die Herausforderung: Das Plateau verstehen

Die Entstehung des Tibetischen Plateaus ist das Resultat eines hochkomplexen Zusammenspiels von geologischen Prozessen wie Subduktion, Kontinentalkollision, Krustenverformung, Magmatismus und klimatischen Einflüssen. Traditionelle Modelle hatten oft Schwierigkeiten, diese verschiedenen Faktoren in eine einheitliche Theorie zu integrieren. Ein Forschungsteam der ETH unter der Leitung von Yuan Xie und Attila Balázs hat nun versucht, drei zentrale Phänomene zu erklären: das schrittweise Wachstum des Plateaus, die räumliche Verteilung magmatischer Aktivitäten sowie seismische Anomalien in den darunterliegenden Schichten.

Das neue Modell

Durch den Einsatz hochauflösender numerischer Simulationen zeigen die Forscher, dass die Subduktion der Indischen Platte unter die Eurasische Platte zur Ablösung der Mantellithosphäre der Eurasischen Platte führt - ein Prozess, der als Mantel-Delamination bezeichnet wird:

Phase der ozeanischen Subduktion

Zunächst subduziert die ozeanische Kruste der Indischen Platte unter die Eurasische Platte, was zu einer Hydratation und teilweisen Aufschmelzung des Mantelkeils führt. Diese Schmelzen sammeln sich in einer vulkanischen Zone, die als magmatischer Bogen bekannt ist, und schwächen die darüberliegende Kruste.

Übergang zur kontinentalen Subduktion

Mit der fortschreitenden Subduktion wandern diese Schmelzen und bewirken nach und nach die Ablösung der lithosphärischen Mantelschicht. Dies führt zur Entstehung eines Proto-Plateaus.

Entwicklung des Plateaus

Die fortlaufende Mantel-Delamination treibt die Hebung der Oberfläche voran und lässt das Proto-Plateau zu dem gigantischen Tibetischen Plateau anwachsen, das wir heute kennen. Die anhaltende Subduktion der Indischen Platte führt zu einer weiteren Verdickung der Kruste und damit zu einem zusätzlichen Höhengewinn.

Mantel-Delamination
Das Modell erklärt erfolgreich die stufenweise Hebung des Plateaus, die Migration der magmatischen Aktivität und die seismischen Zonen mit niedrigerer Geschwindigkeit, die im Mantel beobachtet werden.  (Xie Y et al. Nature Geoscience 2024)

Die Studie ist das Ergebnis einer internationalen Zusammenarbeit, die Expertenwissen aus verschiedenen Disziplinen vereint. Yuan Xie, Attila Balázs und Taras Gerya von der ETH Zürich arbeiteten gemeinsam mit Kollegen der Wuhan-Universität. Sie integrierten geophysikalische und geochemische Daten mit ausgeklügelten numerischen Modellen und verglichen die Ergebnisse mit zahlreichen Studien zu Paläohöhen, Geochemie und Geophysik.

Die Forschung eröffnet neue Wege zum Verständnis der Entstehung orogener Plateaus und der Rolle der Mantel-Delamination. Zukünftige Studien könnten die Auswirkungen von geneigter Subduktion, die dreidimensionale räumlich-zeitliche Entwicklung der Delamination sowie deren Verbindungen zu klimatischen Veränderungen, Oberflächenprozessen oder Biodiversität untersuchen. Dieses Wissen könnte das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Prozessen im tiefen Erdinneren und an der Erdoberfläche erheblich erweitern.

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