Neue Einblicke in die Erdentstehung
Aus neuen Messungen eines internationalen Forschungsteams mit ETH-Beteiligung lassen sich neue Rückschlüsse auf die Entstehung der Erde ziehen: Phasen mit viel Wasser an der Oberfläche gab es schon zu Beginn, nicht erst nach einem späteren Bombardement aus dem All.
Bisher standen Geologen vor einem Rätsel. Messungen an Meteoriten hatten ergeben, dass die Anteile der Halogene Chlor, Brom und Iod viel höher waren, als man dies aufgrund der Vorkommen dieser Elemente auf der Erde erwartet hätte. Doch diese Resultate waren falsch, wie neue Untersuchungen zeigen. «Jetzt passt alles viel besser zusammen», sagt Henner Busemann vom Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich. Er gehört zu einer internationalen Forschungsgruppe, welche Proben von 24 Meteoriten analysierten. Dazu benutzte das Team einen Reaktor, in dem Neutronenstrahlen die Halogene in Edelgase umwandeln – eine besonders präzise Methode, die an der Universität Manchester entwickelt wurde.
Die Forschenden fanden in sämtlichen Meteoriten viel weniger Chlor, Brom und Iod als Kollegen bei früheren Untersuchungen von vergleichbaren Proben, wie sie in der Fachzeitschrift «Nature» berichten. Die Diskrepanz zwischen dieser Studie und den älteren Daten sei wahrscheinlich auf die unterschiedliche Präparation der Proben zurückzuführen, schreiben Patricia Clay von der Universität Manchester und ihre Mitautoren. Material von der Erde könnte die früheren Messungen verfälscht haben.
Viele der untersuchten Meteoriten stammen aus Henner Busemanns Sammlung, die er für seine Studien angelegt hatte. Zu den Proben zählte auch ein Stück des Brockens, der 2013 im russischen Chelyabinsk auf die Erde gestürzt war. «Bei vielen Meteoriten sind alle Elemente noch einigermassen so vorhanden wie zu Beginn des Sonnensystems», erklärt der ETH-Forscher, der auch Mitglied des NFS PlanetS ist. Vergleicht man die Elementhäufigkeit in den Meteoriten mit derjenigen in der Erde, kann man Rückschlüsse auf die Entstehung und Entwicklung der Erde ziehen. Dabei spielen die Halogene eine wichtige Rolle, da sie volatil sind, also schon bei niedrigen Temperaturen verdampfen. Sie sind zudem wesentliche Bestandteile von Salzen. Für die meisten Lebensformen auf der Erde ist Salz unentbehrlich, doch es muss in der richtigen Menge vorkommen, denn zu viel kann die Entwicklung von Leben zu sehr erschweren.
Halogenvorrat überstand heisse Anfangsphase
Bisher nahm man an, dass die volatilen Elemente und auch das Wasser erst spät auf die Erde gelangten, als Kometen und Asteroiden den Planeten bombardierten. «Nun, da die Halogene in den Meteoriten gar nicht so stark vorhanden sind wie gedacht, reicht diese Quelle nicht mehr aus, um die Häufigkeit dieser Elemente in der Erde zu erklären», sagt Henner Busemann: «Das heisst, Halogene konnten nicht komplett verloren gehen, während die Erde noch sehr heiss war, und als sie mit einem anderen, grossen Himmelskörper zusammenprallte, wobei der Mond entstand.»
Erstaunlicherweise sind fast alle Halogene auf der Erde in oder über der Oberfläche, in der Erdkruste und den Ozeanen zu finden. Nur ein kleiner Anteil steckt im Erdmantel. «Diese Verteilung muss bereits bei der Bildung der Erde so angelegt worden sein», erklärt der Geochemiker. Denn die Ausgasrate aus dem Innern des Mantels in die äusseren Schichten der Erde ist langsam und ineffektiv, Jahrmillionen würden dafür nicht ausreichen. Doch warum verschwanden die volatilen Halogene seither nicht von der Oberfläche in die Atmosphäre, wie man annehmen könnte? «Es muss einen Prozess geben, der die Halogene seit der Erdbildung zurückhält», sagt Henner Busemann. Die Forschenden um Patricia Clay vermuten, dass es schon auf der sehr jungen Erde Phasen mit viel Wasser an der Oberfläche gab.
Literaturhinweis
Patricia L. Clay, Ray Burgess, Henner Busemann, Lorraine Ruzié-Hamilton, Bastian Joachim, James M.D. Day, Christopher J. Ballentine: Halogens in chondritic meteorites and terrestrial accretion, Nature 551, 614–618 (30 November 2017). doi: externe Seite 10.1038/nature24625
Dieser Artikel ist in den externe Seite NCCR PlanetS News erschienen.
Text: Barbara Vonarburg