Auf der Suche nach Meteoriten in der Antarktis
Meteoriten zu finden, ist keine leichte Aufgabe. Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, unter ihnen Prof. Maria Schönbächler der ETH Zürich, war dennoch erfolgreich. Ihr Rezept zum Erfolg? Eine Expedition in die Antarktis, wo sie mehrere Meteoriten fanden, darunter einen besonderen Stein mit einem Gewicht von 7.6 Kilogramm.
Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Man kann sich fragen, warum die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Schweiz, Belgien und den USA beschlossen in der Antarktis und nicht anderswo nach Meteoriten zu suchen. Grundsätzlich ist eine Wüste der perfekte Ort, um ein grosses Gebiet auf einmal nach potenziellen Meteoriten abzusuchen, da man nach etwas sucht, das wie ein normales Gestein aussieht, nur dass es eine dunkle Kruste hat. So gehören Wüsten wie z.B. die Sahara zu den bevorzugten Jagdgebieten von Meteoritensuchern. Allerdings ist es immer noch wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, da es in einer Wüste viele Gesteine gibt. Die Eis- und Schneeschicht der Antarktis mit ihrer weiss-blauen Farbe lässt dagegen jeden Stein als Anomalie erscheinen. Dies ist ein Grund für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich trotz des rauen Klimas dorthin zu begeben. Ein weiterer Grund ist, dass durch Gletscherbewegung Gesteine - darunter auch Meteoriten, die ursprünglich auf Gletscher gefallen sind - mittransportiert werden. An besonderen Stellen, an denen die Eisschicht durch Winde langsam abgetragen wird, tauchen die Gesteine und Meteoriten wieder auf und sammeln sich in Moränen an – ideale Orte, um nach Meteoriten zu suchen. Neben Moränen sind auch Blaueisfelder, die durch windgetriebene Erosion entstanden sind, perfekte Gebiete, um nach wertvollen Meteoriten zu suchen.
Der Kampf gegen die Elemente
Ziel des Teams war es in erster Linie, anhand von Satellitenbildern neue potenzielle Konzentrationsgebiete in der Nähe der belgischen Forschungsstation Princess-Elisabeth Antarctica ausfindig zu machen. Der Südpol-Kontinent ist jedoch kein besonders gastfreundliches Land. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten dabei auf Alain Hubert von der International Polar Foundation zählen, einen erfahrenen Forscher, der die Region gut kennt. Er inspizierte zuerst die potenziellen Gebiete, um die Sicherheit der Expedition gewährleisten zu können. Zudem erhielten die Forschenden eine Einweisung im Umgang mit Gletscherspalten. Manu Poudelet (International Polar Guide) führte sie danach sicher durch das Gebiet. Von der Forschungsstation bis zum ersten, etwa sechzig Kilometer entfernten Zielgebiet musste das Team mit seinen Schneemobilen vorsichtig durch die Schneedünenlandschaft fahren, grosse Umwege machen, um Gebiete mit Gletscherspalten zu vermeiden, und nachts in den Eisfeldern campieren. Obwohl es dort Sommer war, erreichte die Temperatur in der Regel nicht mehr als -10 °C., zusätzlich blies der Wind während der ganzen Zeit. Die Windstärke zwang die Besatzung sogar dazu, mehrere Tage lang in der Station zu bleiben.
Ein erfolgreiches Glücksspiel
Die anspruchsvolle Expedition hat sich für das internationale Forscherteam gelohnt. In einem der Suchgebiete fanden sie fünf Meteorite, darunter ein 7,6 kg schweres Stück, welches am letzten Tag, in der letzten Stunde der Suche, entdeckt wurde.
An der Beschaffenheit des Gesteins gab es keinen Zweifel: Seine Oberfläche weist deutliche Spuren einer schwarzen Schmelzkruste auf, die auf die starke Erhitzung des Meteoriten während seines Eintritts in die Atmosphäre zurückzuführen ist. Es handelt sich um einen aussergewöhnlichen Fund unter den mehr als 40 000 Meteoriten, die in den letzten fünf Jahrzehnten in der Antarktis entdeckt wurden: Nur 0,3 % der entdeckten Meteoriten sind schwerer als dieser. Von den vier anderen, kleineren Meteoriten wiegt einer der faszinierendsten «nur» 150 Gramm, ist dafür aber sehr dicht und hat eine seltsame Form, die die Wissenschaftler/-innen vor ein Rätsel stellt. Alle Meteoriten wurden sorgfältig in Spezialkisten mit Kühlpads verpackt, um nach ihrer Rückkehr nach Europa unter kontrollierten Bedingungen aufgewärmt zu werden.
«Die Antarktis ist noch weitgehend unberührt, sie ist eine wunderschöne Eiswüste, die es verdient, erhalten zu werden.»Prof. Dr. Maria Schönbächler
Erst der Anfang
Die Meteoriten sind nicht das einzige Stück Antarktis, das die Besatzung im Gepäck hatte. Die Expedition nutzte auch die Gelegenheit, Proben von Feinsedimenten zu entnehmen. Sie wurden zu gleichen Teilen unter den beteiligten Instituten aufgeteilt und werden für die Suche nach Mikrometeoriten analysiert. Die fünf Meteoriten werden in Belgien aufbewahrt und stehen allen an der Expedition beteiligten Instituten für ihre Forschungsarbeiten zur Verfügung. Einer der Vorteile von Meteoriten, die in der Antarktis gefunden werden, besteht darin, dass sie nach dem Einschlag in der Regel von Eis umschlossen werden, wodurch sie teilweise vor Veränderungen durch die Umwelt geschützt sind, bis sie freigelegt werden. Dies ermöglicht den Wissenschaftler/-innen eine eindeutigere Bestimmung des Alters und der Zusammensetzung der Meteoriten, die wahrscheinlich aus dem Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter stammen und im Allgemeinen älter als 4 Milliarden Jahre sind. Die meisten dieser Meteoriten sind seit ihrer Entstehungszeit unverändert geblieben und liefern so eine Momentaufnahme der Entstehung des Sonnensystems. Zudem haben Meteoriten auch organische Verbindungen auf die Erde gebracht, die für die Entwicklung des Lebens entscheidend gewesen sein könnten. Die Entdeckung und Analyse weiterer Meteoriten kann uns daher auch dem Verständnis des Ursprungs des Lebens näher bringen.
Die Ziele der Mission wurden definitiv erreicht: Von den sechs untersuchten Gebieten wurden alle Meteoriten in einem einzigen gefunden, was interessante Perspektiven für künftige Expeditionen in diesem Gebiet eröffnet.